(Psychosomatische Rehabilitation nach dem sogenannten Herrenalber Modell*)

Was ist das Besondere am Herrenalber Modell, wie unterscheidet sich das Konzept von dem einer eher 'konventionellen' Psychosomatischen Klinik? Um das zu verdeutlichen haben wir hier einmal die wesentlichen Aspekte, die das Modell kennzeichnen an Hand von Auszügen aus einer Katamnesestudie (R. Nübling et al. 2000) dargestellt.

 

Einleitung

Der überwiegende Teil der psychosomatischen Kliniken arbeitet mit tiefenpsychologisch bzw. verhaltenstherapeutisch fundierten Ansätzen. Kliniken mit einem weiter gefassten therapeutischen Konzept (z. B. schulenübergreifend, eklektisch oder humanistisch) sind in der Minderzahl. Weniger als 15 Prozent aller psychosomatischen Rehabilitationskliniken vertreten ein Konzept, das nicht einem der beiden therapeutischen Richtlinienverfahren primär verpflichtet ist.

Diese Programmevaluationsstudie zum Bad Herrenalber Modell, wie es in der dortigen Klinik durchgeführt wurde, hat zum Ziel, die kurz- und langfristigen Behandlungsergebnisse zu erfassen und zu beurteilen und zwar in den Bereichen: körperliche Beschwerden, seelische Verfassung, Leistungsfähigkeit, kostenrelevante Kriterien und multiple Ergebniskriterien.

 

Das evaluierte therapeutische Konzept der Klinik Bad Herrenalb

Die Psychosomatische Klinik Bad Herrenalb ist als Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung einzustufen. Sie wurde in ihrer ursprünglichen Form 1971 von ihrem ersten Chefarzt Dr. W. H. Lechler gegründet, den man als den eigentlichen „Vater" des sog. „Bad Herrenalber Modells" ansehen kann.

Das Modell kann man im weitesten Sinne als humanistisch, oder, wenn man will, als eklektisch, bzw. schulenübergreifend bezeichnen, weil hier ein im eigentlichen Sinne ganzheitlicher Ansatz angeboten und durchgeführt wird. Zum Konzept gehören neben tiefenpsychologisch fundierter Gruppen- und Einzeltherapie, emotional erlebnisorientierte Gruppenverfahren (Bonding-Therapie, bzw. der New Indentity Process NIP nach Casriel), die Motivation zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen sowie die Betonung und Förderung der therapeutischen „Teaching-Learning-Community" (Lechler, 1993), der therapeutischen Gemeinschaft, die an dieser Klinik als wesentlicher Faktor im Heilungsprozess angesehen wird. Später wurde das Konzept von M. Oppl durch den systemisch-familientherapeutischen Ansatz körperorientierter Therapieverfahren (Gestalttherapie, Tanztherapie, konzentrative Bewegungstherapie) Entspannungstechniken (Tiefenentspannung, Autogenes Training, Meditation, Yoga) sowie Sport und Bewegungstherapie ergänzt.

Der Fokus des bindungstherapeutischen Ansatzes liegt auf der Auseinander-setzung des Patienten mit früheren oder akuten traumatischen Situationen durch unmittelbares Ausdrücken der drängenden Emotionen mit dem Ziel, alte Verhaltensmuster aufzuzeigen und zu korrigieren, um zu neuen Einstellungen, Haltungen und Verhaltensweisen zu gelangen (Casriel 1983).

Die Selbsthilfegruppen sind Treffen im Sinne der A-Gruppen in der Klinik, die auch für Betroffene aus der Umgebung offen sind. Im Rahmen der systemischen Familientherapie werden neben Gesprächen mit Familienangehörigen auch Familienaufstellungen durchgeführt.

Die Studie kommt zu den folgenden Ergebnissen:

An erster Stelle wird von den Patienten eine deutliche Verbesserung im Umgang mit den alltäglichen Belastungen genannt. Der überwiegende Teil der Befragten berichteten ein Jahr nach der Behandlung, daß es ihnen jetzt leichter fällt, mit den Anforderungen des Alltags klar zu kommen.

„Zwischen 85% bis 89% der Patienten gab an, daß sie positive Veränderungen der Lebensqualität, des Wohlbefindens, der seelischen Verfassung sowie des Allgemeinbefindens im Vergleich zur Zeit vor der Behandlung wahrnehmen. Zwischen 80 und 85% konnten besser mit Einschränkungen leben, erlebten eine verbesserte Fähigkeit zur Selbsthilfe, einen verbesserten Umgang mit Problemen sowie eine positive Veränderung ihres Gesundheitszustandes und ihrer Beschwerden.

Am unteren Ende der Rangfolge liegen die Reduktion der Anzahl von Arztbesuchen (50,5%), ein geringerer Medikamentenkonsum als vor der Behandlung (36,7%) sowie der Rückgang der Arbeitsunfähigkeitstage (33.5%), eine Besserung des Familienlebens (30,3 %) eine Besserung der Paar-Beziehungen (22,3%), sowie die Reduktion der Krankenhaustage." (Studie S. 19)

Zusammenfassung

An dieser Katamnesestudie haben indikationsübergreifend alle in dieser Zeit anwesenden Patienten teilgenommen. „Insgesamt können die für die fünf Kriterienbereiche berichteten Behandlungsergebnisse als deutlich positiv beurteilt werden. So konnte für eine Reihe von Variablen gezeigt werden, daß die zwischen Aufnahme und Entlassung ermittelten signifikanten Veränderungen großteils auch zum Katamnesezeitpunkt (nach einem Jahr) noch nachweisbar waren."(S.24

Quellen:

*R. Nübling, R. Bürgy, J. Meyerberg, M. Oppl, J. Kieser, J. Schmidt und W. W. Wittmann (2000) Stationäre psychosomatische Rehabilitation in der Klinik Bad Herrenalb „Erste Ergebnisse einer Katamnesestudie" erschienen bei: Bassler, M. (2000) (Hrsg): Leitlinien zur stationären Psychotherapie. Gießen, Psychosozial

Literatur:

Casriel, D. (1983): New Identity Process. In: Corsini, Raymond J. (Hrsg.) Handbuch der Psychotherapie. Hrsg. der deutschen Ausgabe : G. Wenninger, 1994, Psychologie Verlagsunion, Weinheim

Lechler, W. H. (1993) Das Bad Herrenalber Modell. Förderkreis für Ganzheitsmedizin, Bad Herrenalb